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    Alex Megos: Klettern ist ein Lebensgefühl

    Johanna Stöckl
    Johanna Stöckl

    Alexander Megos gehört zu den stärksten Kletterern der Welt. Seit April ist der 25-jährige Erlanger Teil der  GORE-TEX Athletenfamilie. Im Interview erklärt der sympathische Athlet, wie er zum Klettern kam, welche Meilensteine seine Karriere nachhaltig beeinflussten, wie er trainiert, entspannt und ob er sich der Herausforderung Olympia 2020 stellen möchte.

    Willkommen in der GORE-TEX Athletenfamilie, Alex! Wie gut passen GORE-TEX und Megos zusammen?

    Alex Megos: Als Felskletterer bin ich bei jedem Wetter draußen unterwegs. GORE-TEX steht genau dafür: Outdoor bei Wind und Wetter. Also passen wir gut zusammen. Wäre ich ausschließlich Wettkampf- bzw. Hallenkletterer, sähe das sicher anders aus.

    Alex Megos, Profikletterer. Wie erklärst du Menschen, die keine Ahnung von Klettern haben, deinen Beruf bzw. deinen Joballtag?

    Ich ziehe erstmal mein Smartphone aus der Hosentasche und zeige ein paar Fotos vom Felsklettern. Dann erzähle ich kurz, dass ich das Glück habe, vom Klettern leben zu können und momentan über meinen Sport die Welt bereise, um bekannte und weniger bekannte Klettergebiete zu besuchen. Dort versuche ich bestehende, schwere Routen zu klettern oder neue Routen erstzubegehen. Seit letztem Jahr nehme ich auch wieder vermehrt an offiziellen internationalen Kletterwettkämpfen teil.

    Du hattest kürzlich Geburtstag. Wie und wo hast du ihn verbracht?

    Ich war ausnahmsweise zu Hause und habe ihn ganz gemütlich beim Grillen mit Freunden verbracht.

    Wo ist Alex Megos zu Hause?

    Ich bin gebürtiger Erlanger. Da ich die letzten Jahre maximal zwei bis drei Monate im Jahr zu Hause bin, lebe ich in dieser Zeit bei meinen Eltern in Erlangen. Die restlichen neun Monate bin ich unterwegs.

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    Du gehörst längst zu den besten Kletterern der Welt. Man liest, dass du im Alter von sechs Jahren gemeinsam mit deinem Vater erstmals beim Felsklettern warst. War es Liebe auf den ersten Griff?

    An den ersten Felskontakt kann ich mich gar nicht konkret entsinnen. Aber es stimmt natürlich, dass ich früh und oft mit meiner Familie in der Fränkischen unterwegs war. Woran ich mich gut erinnere: Ab meinem 7. bis zum 12. Lebensjahr war ich als Teil einer Klettergruppe regelmäßig, allerdings auch nur einmal pro Woche am Felsen oder in der Halle. Schöne Erinnerungen sind das ...

    Klettern deine Eltern nach wie vor?

    Logisch! Die ganze Familie Megos – also Papa, Mama und meine jüngere, 22-jährige Schwester – klettert.

    War der Übergang vom Hobby zur Berufung ein gleitender?

    Die Entscheidung, Profikletterer zu werden, habe ich nie selbst getroffen. Das war für mich gar kein Thema. So gesehen, war es ein fließender, wenn auch sehr abrupter Übergang, den ich an einem ausschlaggebenden Ereignis festmachen kann: Der Onsight Begehung von „Estado Critico“ (Anmerkung: 9a) in Siurana, Spanien. Mein Leben hat sich über Nacht verändert. Es meldeten sich nicht nur zahlreiche Medien, sondern auch viele Firmen, die mir Kooperationen anboten. Diese Onsight-Begehung ermöglichte mir als 19-Jähriger nach dem Abitur ein weiteres Jahr frei zu machen und mich ausschließlich dem Klettern zu widmen.

    War dir damals – im März 2013 – bewusst, was im Erfolgsfall passieren könnte?

    Nein. Das kam so unverhofft wie ein Blitzeinschlag bei blauem Himmel. Ich hatte mir überhaupt keine Gedanken gemacht und auch nicht ernsthaft in Erwägung gezogen, in diesem Schwierigkeitsgrad überhaupt zu onsighten.

    In der Folge berichteten nicht nur internationale Kletter-Magazine, sondern auch namhafte Tageszeitungen über dich. Deine Reaktion auf dieses plötzliche Medieninteresse?

    Überforderung! Bis zu diesem Zeitpunkt gab’s nur gelegentlich Interviewanfragen. Die geballte Aufmerksamkeit, die mich unmittelbar nach dieser Onsight-Begehung ereilte, überrollte mich regelrecht. Sie gelang mir nämlich bereits am zweiten Tag meines Aufenthalts in Spanien. Ich plante aber weitere 12 Tage vor Ort zu klettern, was dann gar nicht mehr so einfach war. Ständig trudelten Anfragen von Journalisten ein, Fotografen eines spanischen Magazins kamen vorbei und begleiteten mich zwei Tage lang. Alles war neu und ungewohnt. Im Rückblick war dieser Hype aber eine einmalige Angelegenheit. Heute kann ich das alles recht gut handhaben.

    Am 9. Mai 2018 gelang dir die Erstbegehung von „Perfecto Mundo“ (9b+), einer von Chris Sharma projektierten Route in Margalef. Muss man sich als ambitionierter Kletterer vom Einbohrer der Route eigentlich eine Art Freigabe holen, bevor man loslegt?

    Das ist – bis auf ein paar Ausnahmen – die generelle Vorgehensweise, die in den meisten Klettergebieten gilt. Chris hatte über viele Jahre keine Versuche mehr in der Route gestartet. Stefano Ghisolfi und ich wollten uns die Linie zumindest einmal anschauen und das bekannte Klettergebiet rundherum erkunden. Da gibt es ja haufenweise gutes Zeugs, das man klettern kann. Also fuhren wir nach Spanien. Ich habe Chris Sharma vorab per Email kontaktiert, er antwortete prompt und gab uns sein OK. Chris war schließlich voll motiviert vor Ort und mein erster Gratulant.

    Die Liste deiner Klettererfolge ist beeindruckend lang, obwohl du erst 25 Jahre alt bist. Auf Wikipedia ist eine Auswahl von 24 Erstbegehungen, 20 Wiederholungen in höchsten Schwierigkeitsgraden gelistet. Im Wettkampfklettern mischt du ebenfalls ganz vorne mit. Was sind die Meilensteine deiner Karriere?

    Neben „Estado Critico“ und „Perfecto Mundo“ hat sich bei mir auch die Wiederholung von „Action Directe“ eingeprägt. Nicht zwingend wegen der Schwierigkeit (9a), sondern weil die Route historisch bedeutsam ist. Neu in dieser Sammlung ist mein bis dato stolzestes Wettkampfergebnis: Mein Weltcup-Sieg in Briançon, mein erster IFSC Lead Weltcup-Sieg im Juli 2018.

    Warum bedeutet dir die Wiederholung der „Action Directe“ so viel?

    Weil sie so geschichtsträchtig ist. Die von Wolfgang Güllich erstbegangene Route galt lange Zeit als die schwerste Route der Welt. Jeder Kletterer kennt sie. Action Directe ist sicherlich die bekannteste Kletterroute der Welt. Sie liegt in meinem Heimatgebiet, der Fränkischen Schweiz. Als ich das nötige Level erreicht hatte (Anmerkung: 2014), war mein Projekt, diese Route an einem Tag zu klettern, was auch hingehauen hat. Für mich persönlich war das ein ganz besonderer Moment. Wolfgang Güllich, Kurt Albert, aber auch Norbert Sandner (Anmerkung: heute Athletenmanager von Alex Megos bei Patagonia) und einige andere Kletterer aus der Region haben den Klettersport seinerzeit auf höchstem Niveau entscheidend und nachhaltig geprägt, das Rotpunkt-Klettern erfunden und aus der Fränkischen Schweiz hinaus in die Welt getragen.

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    Du bist sowohl beim Felsklettern als auch in Wettkämpfen spitze. Wie schaffst du diesen Spagat nur?

    Ich kann zwar beide Disziplinen auf einem relativ hohen Level fahren, aber wenn ich wirklich meine Topleistung im Fels erbringen möchte, kann ich nicht auch noch nebenbei Wettkämpfe klettern und umgekehrt. Als Kletterer muss man sich schon grundsätzlich entscheiden, wenn man Höchstleistungen abrufen will. Was mir allerdings gelingt: Ich kann relativ schnell von einer Disziplin zur anderen umschalten.

    Klettern wird 2020 olympisch. Du bist im deutschen Perspektivkader. Wird sich Alex Megos pro Tokio entscheiden und folglich auf das Wettkampfklettern fokussieren?

    Der Weg nach Tokio wird sicherlich nicht leicht werden. Es gibt weltweit nur 20 Startplätze. Die Auswahl ist also sehr begrenzt. Letztendlich sind auch die finalen Qualifikationskriterien für Tokio noch nicht ganz klar. Ich kann momentan meine Chancen noch gar nicht richtig einschätzen.

    Wirst du versuchen, diese vielleicht einmalige Chance wahrzunehmen?

    Ich werde mich Ende 2018 endgültig entscheiden, ob ich den Versuch starte. Ich will dabei keine überhastete Entscheidung treffen, daher ist das Thema einfach noch offen. Ich muss wohlüberlegt abwägen. Eine Entscheidung pro Olympia bedeutet, dass ich die kommenden zwei Jahre den Fokus voll auf Wettkämpfe legen und das Felsklettern vernachlässigen müsste.

    Nach dem Abitur 2012 hast du dich voll und ganz dem Klettersport gewidmet, tingelst seither von einem Kletterspot zum nächsten. War ein anschließendes Studium nie eine Option? Wenn ja, was hätte Alex Megos studiert?

    Ich war extrem unentschlossen und wusste ehrlich gesagt nicht, was ich studieren sollte. Daher kam mir die Auszeit so gelegen. (Lacht) Sie dauert bis heute an. Dennoch stand die Aussicht auf ein Studium immer im Raum und ich möchte das auch für die Zukunft nicht ausschließen. Man weiß ja nie, was das Leben bringt.

    Wie darf man sich deinen Trainingsalltag vorstellen? Wie oft sieht man dich in der Halle, wie oft an natürlichen Felsen?

    Das hängt davon ab, ob ich zu Hause oder unterwegs bin. In der Fränkischen habe ich alles gemacht, was mich gereizt und interessiert hat. Daher bin ich in meiner Heimat mehr oder weniger nur am Trainieren und das bedeutet: Sechs bis sieben Mal pro Woche in der Halle. Bin ich – wie kürzlich in Spanien – unterwegs, lege ich bei schwierigen Projekten nach zwei harten Klettertagen einen Ruhetag ein. Ist das Projekt weniger anspruchsvoll bzw. Regeneration nicht so wichtig, ziehe ich auch vier bis fünf Tage am Stück los.

    Alex Megos und Social Media. Alleine auf Instagram folgen dir 170.000 Menschen. Wie gut kennst du deine Community? Wer folgt dir?

    Ich analysiere das nicht und kann daher nur raten. Meine Zielgruppe ist wahrscheinlich zwischen 15 und 30 Jahre alt, männlich, weiblich bunt gemischt und interessiert sich für Klettern, was ja – seit es so viele Hallen gibt – einen wahren Boom erlebt.

    Ist deine Community den Meilensteinen entsprechend sprunghaft angewachsen?

    Das kann ich so nicht sagen. Auf Instragam bin ich erst seit 2015 aktiv. Dort ging es stetig, gleichbleibend konstant nach oben. Peaks gab es keine.

    Hilft dir jemand in Sachen Social Media?

    Nein. Alle Beiträge stammen von mir.

    Wie findest du Zerstreuung? Was macht Alex Megos, wenn er nicht klettert?

    Ich interessiere mich sehr für Fotografie, koche leidenschaftlich gerne und lese viel.

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    Am 11. Oktober kann man dich beim International Mountain Summit in Brixen sehen. Was darf man erwarten?

    Ich werde mit meinem, größtenteils neuen Vortrag „Alex on the Road“ vor Ort sein. Darin erzähle ich von meinen letzten Trips und beleuchte die unterschiedlichen Facetten des Kletterns von Bouldern über Sportklettern bis hin zu Mehrseillängen-Klettern. Hoffentlich Amüsantes kommt dabei nicht zu kurz. Ich möchte mit meinem Vortrag die Faszination unseres Sports beleuchten. Klettern beinhaltet viel mehr als Schwierigkeitsgrade oder athletische Aspekte. Es ist ein Komplettpaket aus Reisen mit Freunden und dem Kennenlernen von fremden Kulturen. Unabhängig von irgendwelchen Schwierigkeitsgraden definiere ich Klettern als Lebensgefühl.

    Johanna Stöckl Johanna Stöckl

    Johanna Stöckl

    Als freie Journalistin schreibt Johanna Stöckl für diverse Tageszeitungen und Magazine. Ihre Themen: Sport, Outdoor, Alpinismus, Abenteuer und Reisen. Johanna lebt in München. Wenn sie nicht gerade vor dem Computer sitzt, zieht es die gebürtige Österreicherin in die Berge. An ruhigen Tagen verschlingt sie Bücher und spannende Sportreportagen.

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