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    Aufbruch ins Ungewisse

    Gastautoren
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    Fotograf: Klaus Fengler.
    Mit einer Ausdehnung von 507.451 km², etwa 1600 km Länge und zwischen 200 und 700 km Breite ist Baffin Island die fünftgrößte Insel der Erde ©Klaus Fengler
    Es geht wieder los. Die Profikletterer Stefan Glowacz und Robert Jasper starten gemeinsam mit Fotograf Klaus Fengler in ihr nächstes Abenteuer. In menschenfeindlicher Umgebung auf Baffin Island wollen die drei eine Erstbegehung an einer Wand schaffen, von der sie bis jetzt nicht mehr wissen, als dass sie 800 bis 1000 Meter hoch sein wird. 30 Tage soll die Expedition insgesamt dauern: 10 Tage Hinweg, 10 Tage Klettern, 10 Tage Rückweg. Vom letzten Zivilisationspunkt, dem Örtchen Clyde River, bis zum Ziel sind es circa 150 Kilometer. Die Temperaturen liegen in dieser Jahreszeit zwischen -20 und 5 Grad. Ob ihr Weg sie über Eis, matschigen Schnee oder über Wasser führen wird, wissen sie nicht. Und weil das alles den drei Abenteurern noch nicht reicht, werden sie in Kanada absolut autark unterwegs sein. Das heißt ohne Hilfe von Einheimischen, ganz auf sich alleine gestellt. Möglich ist das nur durch einen eigens für diese Expedition angefertigten Multifunktionsschlitten. Multifunktion, das heißt in diesem Fall Schlitten, Boot und Biwak in einem. Klingt spannend und ich kann euch sagen, das ist es auch! Ich lasse es mir deshalb nicht entgehen, die drei vor ihrer Abreise mit Fragen zu löchern: Ihr seid immer wieder auf der Suche nach neuen Abenteuern rund um den Globus. 2008 wart ihr bereits auf Baffin Island, nun habt ihr euch wieder für die Insel entschieden. Wie kam es dazu? Stefan: Bei all unseren Expeditionen liegt unser Fokus immer auf der Kletterei und Baffin Island bietet einfach wunderschöne, riesige Wände. Zudem kommt hier der logistische Aspekt dazu: Wie kommen wir vom letzten Zivilisationspunkt aus eigener Kraft an die Wand und wieder zurück? Denn normalerweise kommt man nur mit Hilfe der Einheimischen an die Wände. Im Winter fahren sie dich mit Ski-Doos über das zugefrorene Eis hin und wieder zurück, im Sommer mit Booten. Völlig autark unterwegs zu sein war daher bis jetzt nicht möglich. Das war für uns die interessante Frage: Wie können wir auch hier unser Ziel „by fair means“, also ohne technische Hilfsmittel erreichen? Um dieses Ziel, autark unterwegs zu sein, zu realisieren, habt ihr extra für diese Expedition einen Multifunktionsschlitten anfertigen lassen … Robert: Die Idee dazu kam uns eigentlich bei der letzten Expedition Patagonien im Februar. Mit 40 kg Ausrüstung auf dem Rücken haben wir einfach mal rumgesponnen, was es denn für Möglichkeiten gäbe, diese besser zu transportieren. Was bräuchten wir alles? Wie haben wir es bis jetzt gemacht? Und von 2008 wussten wir: auf Grund der unberechenbaren Bedingungen auf Baffin ist ein Amphibienfahrzeug die beste Option. Denn gerade im Frühjahr weiß man dort nie, worauf man sich einstellen muss. Wird noch alles zugefroren sein? Oder sind die Flüsse schon aufgetaut?
    Entwicklung und Fertigung vom Prototyp Carbon-Schlitten bei der Firma CargoTech in Salzburg, Salzburg, Österreich.
    Entwicklung und Fertigung vom Prototyp Carbon-Schlitten bei der Firma CargoTech in Salzburg  ©Klaus Fengler
    Stefan: Diese Erfahrungen der vergangenen Expeditionen haben uns auch bei der Entwicklung geholfen, denn im Prinzip ist der neue Multifunktionsschlitten aus Teilen entstanden, die wir bis jetzt einzeln verwendet haben, das heißt Schlitten, Boot und Biwak. Trotzdem stellte die Konstruktion eine große Herausforderung dar: Zum einen hat es einen Schlitten in dieser Form noch nie gegeben, zum anderen hatten wir natürlich hohe Anforderungen an Material, Gewicht, Verarbeitung, etc. Hier sind wir wirklich dankbar, mit so tollen Partnern wie der Marke GORE-TEX zusammenarbeiten zu können.
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    Einige Wochen vor der Expedition wird das Boot auf dem heimischen Eibsee getestet
    Du sprichst gerade die hohen Anforderungen an. Welche Kriterien mussten bei der Entwicklung unbedingt beachtet werden? Robert: Da jeder von uns zu Beginn circa 60 – 70 kg an Ausrüstung dabei hat, war das Gewicht des Schlittens ein entscheidender Faktor, um eine zusätzliche Belastung zu vermeiden. Das haben wir dank unserer Partner wirklich super hingekommen: Der Schlitten wiegt jetzt mit allen Komponenten um die 12 kg, das ist super leicht. Zum Vergleich: Ein normales Portaledge für zwei, was man ja nur zum Schlafen verwenden kann, wiegt schon 9 kg. Klaus: Bei der Entwicklung des „Flys“, dem Zelt über dem Schlitten, war auf Grund der Gegebenheiten auf Baffin Island ein sehr guter Wind- und Wetterschutz wichtig. Zudem musste das Material absolut robust und abriebfest sein, da es durchaus mit der rauen Felswand in Berührung kommen kann. Da der Schlitten schon eine Sonderanfertigung war, konnten wir hier nicht einfach handelsübliche Flys nehmen. Da waren die Marken GORE-TEX und Marmot mit ihrem Know-How eine große Hilfe.
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    Bleibt es trocken im Zelt? Im Regenturm von Gore testen die drei die Zeltkonstruktion
    Was habt ihr von der letzten Expedition gelernt, das ihr jetzt verwenden könnt? Robert: Man lernt natürlich bei jeder Expedition etwas dazu, wird mental stärker. Bei unserer letzten Baffin Expedition haben wir gelernt, wie wichtig die Team-Zusammensetzung ist. Damals waren wir mit 15 Personen vor Ort, es waren auch Leute dabei, die ausschließlich für die Dokumentation zuständig waren. Dieses Mal ist es die Herzensangelegenheit von jedem einzelnen, die Wand zu erreichen und eine erfolgreiche Erstbegehung zu machen. Dadurch sind natürlich auch die Dynamik und der Zusammenhalt in der Gemeinschaft ganz anders. Wir müssen viel enger zusammenarbeiten, uns gegenseitig unterstützen. Kleines Team, neue Route, andere Jahreszeit. Was wird die größte Herausforderung sein? Stefan: Das Problem wird zunächst sein im Zeitplan zu bleiben, alles „just-in-time“ auf die Insel zu bringen. Wir wissen von der Logistik her, dass alles Gepäck bis zum Ort Ikkaluid geht. Den letzten Abschnitt fliegen wir mit einem kleinen Propellerflugzeug bis Clyde River, von dort an ist nicht sicher, ob wir alle drei Schlitten und unser gesamtes Gepäck auf einmal mitnehmen können. Es kann sein, dass sich alles um eine Woche nach hinten verschiebt, weil es früher keinen Flug gibt. Klaus: Ich mache bei dieser Expedition erstmalig nicht nur Fotos, sondern werde auch filmen. Das alles so gut wie möglich unter einen Hut zu bekommen, wird für mich die größte Herausforderung sein. Es fallen viel mehr Daten an, als nur beim Fotografieren und auch der Stromverbrauch wird größer sein. Zusätzlich haben wir eine Drohne dabei, eine weitere spannende Herausforderung. Robert: Bei so einer Expedition geht man körperlich und mental an seine Grenzen. Jeder wird Momente haben, nach einem langen anstrengenden Tag, in denen man keine Lust mehr hat, Essen zu kochen oder einen Eisbärenzaun aufzustellen. Genau dann wird es wichtig sein, dass wir als Team gut zusammenhalten und uns gegenseitig unterstützen.
    Kanada, Baffin Island, Buchan Gulf, The Bastions, Robert Jasper und Stefan Glowacz bewundern am Morgen die Aussicht ueber den Buchan Gulf. 12.05.2008. Digital Photo; Copyright: Klaus Fengler.
    Robert Jasper und Stefan Glowacz bei ihrer letzten Baffin Expedition 2008, fotografiert von Klaus Fengler 
    Klaus: Das größte Fragezeichen wird natürlich das Wetter sein. Wenn wir zur Wand aufbrechen hoffen wir, dass wir noch eine geschlossene Schneedecke haben, aber was in den Fjorden genau passiert, mit dem Eisaufbruch, mit der Schmelze, das werden wir erst vor Ort sehen. Auch die Bedingungen auf dem Rückweg bleiben ungewiss. Es kann sein, dass alle 200 Meter Risse im Eis sind, oder bereits ganze Kanäle, die wir überqueren oder umgehen müssen. Mit unserem Multifunktionsschlitten wird das alles machbar sein, solange wir in der Zeit bleiben. Robert: Ja, aber das ist ja auch das Spannende! Abenteuer bedeutet doch: Aufbruch ins Ungewisse. Wenn du genau wüsstest was dich erwartet, wenn du alles genau kennen würdest, dann hast du ja kein Abenteuer. Auch bei der Wand, wir wissen es gibt dort viele tolle Wände, aber welche wir genau besteigen werden, wird sich erst vor Ort rausstellen. Das ist Abenteuer pur!
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