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    Mystery Membrane

    Chris Eisenmann
    Chris Eisenmann

    Membran ist ein Begriff, der immer dann auftaucht, wenn es um funktionelle Wetterschutz-Bekleidung geht, die mich vor Regen, Wind oder Kälte schützt, aber trotzdem atmungsaktiv ist. Die Membran ist eine dünne Materialschicht, welche den Stoff- und Wärmetransport beeinflusst. Der Begriff Membran oder Membrane kommt aus dem Lateinischen (lat. Membrāna) und bedeutet so viel wie „Häutchen“. Membranen sind in der Natur anzutreffen: Jede biologische Zelle ist von einer semipermeablen Membran umgeben. „Semipermeabel“ heißt zu Deutsch halbdurchlässig, was bedeutet, dass bestimmte Stoffe die Membran passieren können und andere Stoffe eben nicht. Für Membranen gibt es vielfältige Anwendungen in der Technik: sie werden als Trennschicht ebenfalls mit halbdurchlässigen Eigenschaften verwendet.

    Bob Gore entwickelt ePTFE, indem er unter bestimmten Bedingungen eine schnelle Reckung von PTFE herbeiführt. Das Ergebnis ist ein extrem starkes mikroporöses Material mit erstaunlich vielen positiven Eigenschaften,
    Bob Gore entwickelt ePTFE, indem er unter bestimmten Bedingungen eine schnelle Reckung von PTFE herbeiführt. Das Ergebnis ist ein extrem starkes mikroporöses Material mit erstaunlich vielen positiven Eigenschaften,

    Wie funktioniert die Membran?

    Anfang der 90er Jahre arbeitete ich bei einem Sportbekleidungshersteller. Ein Vertreter von Funktionsmaterialien kam zu uns und wollte uns wasserdichte/atmungsaktive Stoffe andrehen. Ehrlich gesagt, dass es ein Material geben soll, welches dampfförmige Feuchtigkeit durchlassen soll und wasserdicht sei, das konnte ich nicht richtig glauben. „Dicht ist dicht“, davon war ich überzeugt. Von der Wasserdichtigkeit konnte ich mich relativ leicht überzeugen: Ohne den Stoff zu zerstören war es nicht möglich, Wasser durch das Funktionsmaterial zu bekommen.

    Aber was ist mit der Atmungsaktivität?

    Ich beschloss ein paar Musterteile zu machen um diese draußen in der Natur zu testen. Es funktionierte! Mir wurde nicht zu heiß in der Jacke, besonders im Vergleich zu einem Regenmantel. Ich konnte nicht nur den verbesserten Komfort spüren, sondern auch mit bloßem Auge sehen, dass die durch die Jacke dringende Feuchtigkeit unmittelbar an einer kalten Fensterscheibe kondensierte. Membranen in Funktionsbekleidung haben einen simplen Zweck: Sie sollen Regen und Schnee draußen halten und Feuchtigkeit, die beim Schwitzen entsteht, nach außen durchlassen können. Sie sind also selektiv permeabel. Das macht Bekleidung mit Membran auch so besonders. Sie vereint zwei Eigenschaften, die lange als unvereinbar galten. Wasserdichte Bekleidung gibt es schon lange. Früher haben sich die Menschen draußen mit Fellen, fetter Wolle oder gewachster Baumwolle vor dem Wetter geschützt, später mit dem Aufkommen von synthetischen Materialien auch mit Regenmänteln aus Gummi. Während manche Materialien besser als andere geschützt haben, hatten mehr oder weniger alle Schwierigkeiten mit sich anstauender Hitze und Feuchtigkeit im Innern der Bekleidung. Der Regenmantel, auch als „Ostfriesennerz“ bezeichnet, stellte quasi eine auf den Leib geschneiderte Sauna dar. Auch heute werden solche Materialien noch immer eingesetzt, zum Beispiel bei kleinen Kindern in Form von äußerst robusten Überhosen: „Matschhosen“. Sie bieten einen ausgezeichneten Schutz gegen Wetter und Matsch, aber die Kinder schwitzen darin ordentlich. Bekleidung wie Softshells, Fleece-Pullover oder isolierende Mittellagen, sogenannte „Puffy“-Jacken sind angenehm bis äußerst komfortabel. Sollte es aber windiger werden, länger regnen oder schneien ist meistens schnell Schluss mit lustig. Es wird einfach zu kalt in den Jacken. Die Membran verhindert, dass Wind und Wasser eindringen, aber erlaubt den Austausch von Feuchtigkeit, was einen im Vergleich zum „Ostfriesennerz“ deutlich besseren Komfort bietet. Man kann länger draußen bleiben, hat mehr Ausdauer und insgesamt einfach mehr Spaß.

    Also ist es die Membran, die mich vor Wind und Wetter schützt?

    Die geheimnisvolle Membran: wasserdicht und gleichzeitig atmungsaktiv
    Die geheimnisvolle Membran: wasserdicht und gleichzeitig atmungsaktiv

    Die Membran alleine wäre zu schwach – deswegen ist sie fest mit mindestens einem Textil verbunden. Das Zusammenfügen von Membran und Textil wird als Lamination bezeichnet, weswegen das Ergebnis als „Laminat“ bezeichnet wird. Aus diesem Grund ist die Membran auch nicht sichtbar, sondern zwischen dem sichtbaren Oberstoff auf der Außenseite und dem Futter verborgen.

    Ja gut, und was ist mit den Nähten?

    Bei der Herstellung der Bekleidung wird das Laminat zugeschnitten und zusammengenäht. Dabei wird die Membran mit jedem Nadelstich durchstochen. An der Stelle ist die Membran nicht mehr wasserdicht. Noch dazu geht jetzt auch noch der Nähfaden durch dieses Loch, welcher für das Wasser wie ein Docht wirkt. Da kommt sofort Wasser durch, deswegen ist es unerlässlich die Naht nach dem Nähen mit einem Dichtband zu versiegeln, so dass kein Wasser mehr durch die beim Nähen entstandenen Löcher durchtreten kann. Derart versiegelte Nähte werden auch als „verschweißt“ bezeichnet. Nicht etwa, weil das etwas mit Schwitzen/Schweiß zu tun hätte, sondern weil das Dichtband mittels Druck und Hitze auf das Laminat „geschweißt“ wird. Fazit: Alle Nähte am Bekleidungsteil, wodurch Wasser eindringen könnte, müssen vollständig verschweißt sein. Eine Membran in Funktionsbekleidung verhindert das Eindringen von Wind und Wetter und ermöglicht trotzdem einen Feuchtigkeitsaustausch, wodurch Schweißfeuchtigkeit von innen nach außen entweichen kann, ohne dass der Wetterschutz dadurch verloren geht.

    Chris Eisenmann Chris Eisenmann

    Chris Eisenmann

    Chris entwickelt bei Gore die Bekleidungstechnologien von Morgen. Er blickt dabei gerne hinter die Kulissen: Wie funktioniert das? Warum? Wo sind die Grenzen? Was kann man besser machen? Und: Chris testet seine Erfindungen am liebsten selbst; im Winter beim Snowboarden, im Sommer beim Mountainbiken, und das ganze Jahr über beim Laufen.

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